Emotionalität sei zu vermeiden, heisst es. Gefühle sind jedoch da, sie werden einfach nur unter- drückt! Was wir wirklich vermeiden sollten, ist die «Faust im Sack» - denn die wird früher oder später ex- oder implodieren.
«Die Faust im Sack» oder «die Wut hinunterschlucken» sind Redewendungen für schwierige und wichtige Situationen, in denen wir nicht für uns selbst einstehen. Das tun wir in der Regel dann, wenn wir Angst haben, etwas zu verlieren. Wir möchten unseren guten Ruf oder die Sympathie des anderen nicht aufs Spiel setzen und passen uns an. Allgemein geläufig wird dies als soziale Kompetenz bezeichnet, was auch nicht grundlegend falsch ist. Aber aufgepasst, es könnte eine Falle sein. Oft merken wir nicht, dass sich in unserem geheimnisvollen Innenleben ein kleiner Knoten bildet, der sich unmerklich destruktiv einmischt, wenn wir in eine ähnliche Situation geraten.
Konflikte haben biologische Ursachen. Mögliche Konsequenzen der «Faust im Sack» sind Blockaden in zwischen menschlichen Beziehungen und mehr oder weniger verschwiegene Vorurteile gegenüber Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten. Daraus resultierend spriessen Phänomene wie falsche Argumente als Vorwand, endlose Palaver um den heissen Brei, Ineffizienz in Prozessen, Einbussen in den Leistungen, miese Stimmungen und letztlich oft lästige Stresssymptome aller Schattierungen bei einigen Konfliktbeteilig-ten. Der Versuch, den Konflikt sachlich zu beseitigen, kann scheitern, weil der sachliche Konflikt aus einer interpersonalen Konstellation heraus unvermeidlich entsteht. Deshalb sollten die interpersonalen Ursachen eines Konfliktes ins Scheinwerferlicht gerückt werden. Denn sie entstehen aufgrund unserer biologischen Voraussetzungen, sind unvermeidbar und wiederholen sich so lange, bis wir die Mechanismen erkennen und verstehen.
Die kognitiv-biologische Ursache einfach erklärt. Zu Beginn eines Prozesses vom Input (Wahrnehmung) zum Output (Reaktion) werden über unsere Sinne Daten aufgenommen, so ähnlich wie mit einer Multimedia-Kamera. Nur ein bestimmtes, individuelles Set dieser Daten schafft es ins Bewusstsein, die anderen verschwinden ins Unbewusste oder werden über Bord geworfen. Dann folgen die Validierung, der Vergleich mit früheren Erfahrungen und eine Logik, wobei die Reihenfolge je nach Typ variiert. Tatsache ist, dass ein ungutes Gefühl über etwas oder eine negative Haltung zu einer Sache für das Individuum eben so harte Fakten sind wie eine Zahl in einer Bilanz. Deshalb ist nicht alles, was sachlich richtig scheint für die Sache auch gut! Mit dieser Kenntnis haben wir die Möglichkeit, gezielte Veränderungen herbeizuführen. Und zuletzt braucht es die Gabe der Vorstellung und Voraussicht, um für alle Beteiligten eine Einigung her bei zu führen. Die Maxime des Erfolgs ist der Konsens, im Notfall tut es auch der Kompromiss. Oft rate ich meinen Klienten, den Konflikt ohne Einbezug anderer Beteiligten zu lösen. Denn manchmal ist dieser Weg in der Tat effizienter und erfolgsversprechender. Denn wenn sich das eine Verhalten ändert, dann wird sich auch das andere verändern. Leider, oder aber auch zum Glück, gibt es für Konfliktlösung interpersonaler Art kein universelles Rezept, jedenfalls keines, das uns bezüglich Herz und Hirn sicher und fehlerlos navigieren könnte. Es kommt immer auf die Situation an. Hingegen verfügen wir alle über das Geschenk des «gesunden Menschenverstandes» und tief in uns gibt es ein inneres Streben nach Gleichgewicht. Dieses Streben, unterstützt durch Wissen und Erfahrung, wirkt oft tief und nachhaltig.
Der Konflikt als Sprungbrett in eine neue Zeit. Statt destruktive interpersonale Dynamiken im Anfangsstadium zu unterdrücken, sollten wir in der Lage sein, sie als Teil des Lebens, insbesondere der Interaktion zu akzeptieren und mit ihnen zielführend zu arbeiten. Konflikte tun weh, weil wir uns nicht verstanden oder nicht wertgeschätzt fühlen, weil wir uns persönlich in Frage gestellt sehen oder weil wir uns benachteiligt vorkommen. Ein differenziertes Bewusstsein für die Unterschiedlichkeit der Individuen, erweitert durch Erfahrung und Wissen, und gesundem Menschenverstand sind ein starkes Paket, durch welches wir eine konstruktive Konfliktkultur im Team, in der Abteilung und in der Organisation entfalten können und damit der Kultur des Unternehmens einen zukunftsorientierten Anstrich geben. So unangenehm sie manchmal sind, aus dieser Perspektive gesehen werden aus Stolpersteinen plötzlich Sprungbretter hin zu mehr persönlicher Zufriedenheit, hin zu mehr gemeinsamem Erfolg und hin zu neuzeitlichen, konfliktfähigen Gemeinschaften.
Monica Camuglia, 18.01.20
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